Mitgestalten der Energiewende durch Erneuerbare Energien vor Ort

Prof.Scharfenberg und Studierende

Georg Scharfenberg ist emeritierter Professor der OTH in Regensburg und ein ausgewiesener Experte für Energietechnik. Der folgende Artikel ist der dritte in einer kleinen Serie, Georg Scharfenberg liefert hier gründliche, aber doch gut verständliche Einsichten und Positionen zu aktuellen und grundsätzlichen Energie-Themen:

(1) Grüner Strom aus der Steckdose

(2) Energiewende mit Fotovoltaik

Es wir immer heisser

Mit dem Jahreswechsel in das Jahr 2024 mussten wir zur Kenntnis nehmen, dass das vergangene Jahr 2023 das heißeste Jahr mit 1,45oC über dem vorindustriellen Niveau seit der Wetteraufzeichnung war [1]. Lag der Rekordwert im Jahr 2016 bereits mit 1,29oC über dem Niveau, so ist ein weiterer Anstieg der Temperatur in der Atmosphäre über den neuen Rekordwert von 2023 fast unvermeidlich. 

Damit ist das im Jahre 2015 auf der Weltklimakonferenz in Paris vereinbarte Abkommen, den weltweiten Temperaturanstieg auf möglichst 1,5oC, auf jeden Fall aber auf deutlich unter 2oC zu beschränken, als sehr kritisch zu betrachten. Die durchschnittliche Oberflächentemperatur der Weltmeere wurde 2022 mit einer Steigerung um 0,67oC über dem Mittel des 20. Jahrhunderts festgestellt [2], während das Forschungsschiff „Polarstern“ bereits 2019 einen drastischen Temperaturanstieg in der Arktis und im vergangenen Sommer 2023 sehr ungewöhnliche Verhältnisse im Polareis der Arktis und am Nordpol, bedingt durch Wind und Wetter mit gerade nur einjährigem, brüchigem Eis, vorgefunden hat.

Weltweit müssen sich die Industriestaaten, die die Verursacher des Klimawandels sind (OECD-Länder, China), der Verantwortung stellen und die Nutzung fossiler Brennstoffe massiv vermindern und damit den Ausstoß von Treibhausgasen eingrenzen. 

CO2-Preis & Co: Nichtstun wäre noch viel teurer

Ein wichtiges Instrument zur Verminderung der Nutzung fossiler Energien ist der Emissionshandel. Europa und viele andere Industriestaaten haben Emissionshandelssysteme installiert. Diese Systeme sehen schrittweise Kostensteigerungen für den Ausstoß von CO2 vor und schaffen so das Potenzial für Vermeidungswege wie den Umstieg auf Erneuerbare Energien. Allerdings, um faire wirtschaftliche Verhältnisse zwischen den Emissionshandelssystemen der Länder zu schaffen, dürfen Zertifikate nicht kostenfrei sein und die Systeme müssen länderübergreifend miteinander verbunden werden (Linking). Zudem sind die Systeme noch nicht harmonisiert. Dieses ist international der Fall. So auch mit einer Weiterentwicklung in Deutschland gegenüber der EU: In der EU greift der Emissionshandel in die Segmente Industrie, Kraftwerke und Luftverkehr (2015) ein. In Deutschland erfolgte 2021 eine Erweiterung mit dem ‚Nationalen Klimahandel‘, der die Wärmeerzeugung und den Verkehr einbezieht (diese Erweiterung soll 2027 in der europäischen Gesetzgebung ebenfalls vollzogen werden). Zudem ist seit 1/2024 in Deutschland der Abfallbereich einbezogen.

Maßnahmen zur Klimawende in Deutschland

Gesetzlich verabschiedete Maßnahmen zur Klimawende in Deutschland werden aus den europäischen Vorgaben (Green Deal [3]) abgeleitet. Dieses betrifft rechtliche Regelungen und Fördermaßnahmen. Einfluss nahmen in den vergangenen Jahren allerdings im weiten Maße kriegsbedingte Änderungen in der Energieversorgung, Gerichtsentscheidungen und die sich ändernde Finanzsituation in Deutschland.

Global beruhen die Initiativen zur Klimawende in erster Linie auf dem Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (⁠UN⁠ Convention on Climate Change), dem Kyoto Protokoll und dem Übereinkommen von Paris, wie oben bereits angeführt. 

Die aktuellen Beschlüsse der Klimakonferenz in Dubai (COP 28), im Dezember 2023, zeigen Beschlüsse zum Weg aus fossilen Brennstoffen und setzt dazu das Ziel 43 % weniger Emissionen bis 2030 zu erreichen. Weiterhin wurde festgelegt, die CO2-Nettoemissionen bis 2050 auf Null zu senken. Im gleichen Zeitraum sollen der Anteil an Erneuerbaren Energien verdreifacht und die Energieeffizienzrate verdoppelt werden.

Die Klimaschutzpolitik in Deutschland ist dann erfolgreich, wenn in allen klimarelevanten Bereichen, Sektoren genannt (Energiewirtschaft, Industrie, Verkehrs- und Gebäudesektor, Landwirtschaft, Abfallwirtschaft), CO2-Einsparziele gesetzt sind, die bezahlbar und sozial ausgewogen sind. Diese Ziele sollten getrennt voneinander mit den notwendigen Fördermaßnahmen erreicht werden. Die Vorgaben sind im Klimaschutzgesetz von 12/2019 verankert. Nachdem die gesetzten Klimaziele im Verkehrs- und Gebäudesektor in den vergangenen Jahren (2021 und 2022) verfehlt wurden, könnten mit einem in 2024 neu zu erwartenden Klimaschutzgesetz die differenzierten Vorgaben für die Segmente zum Nachteil des Gesamtziels entfernt werden. 

BERR: alle können mithelfen

Photovoltaikanlagen vor Ort sind der Kern des Engagements der Bürger Energie Region Regensburg (BERR), sodass der vorliegende Artikel sich mit dem Stromsegment weitergehend befasst.

Andere Segmente sind parallel Ziele in der Gesetzgebung zur Klimawende. So stand z.B. der Gebäudesektor mit dem Gebäudeenergiegesetz in der zweiten Hälfte des Jahres 2023 im Fokus der Öffentlichkeit oder der Verkehrssektor mit der Förderung der Bahn oder der Veränderung der Förderung für E-Fahrzeuge. 

Protagonist Stromsegment in der Energiewirtschaft

Für Deutschland ist hervorzuheben, dass vor fast 35 Jahren im Segment der Erzeugung elektrischer Energie der Start mit dem Stromeinspeisungsgesetz (heute EEG) gesetzt wurde. Heute erzeugen wir mehr als 50 % des elektrischen Stroms aus Erneuerbaren Energien. 

Dem gegenüber steht allerdings auf dem Plan des im Jahre 2022 verabschiedeten EEG 2023, dass bis zum Jahre 2030 mit dem Vorrang Erneuerbarer Energien die Nutzung im Segment Strom zu 80 % erreicht werden soll. Auf diese kurze Distanz sind damit erhebliche und progressive Anstrengungen verbunden. So ist im Gesetz für Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) die Steigerung der Ausbaurate auf 22 Gigawatt (GW) pro Jahr vorgesehen. Für das Jahr 2030 sollen Photovoltaikanlagen (im Gesetz: ‚Solaranlagen‘) im Umfang von insgesamt rund 215 GW installiert sein [4]. Zudem sind höhere Vergütungssätze und Vereinfachungen von Regelungen vorgesehen. Dazu gehört z.B., dass für Bürgerenergiegenossenschaften seit 2023 die Notwendigkeit zur Ausschreibung von Wind- und PV-Projekten entfallen ist.

Der Wind weht auch in Bayern

Damit sind für die Bürgerenergiegenossenschaften, und so auch für die BERR, neue Chancen zur Weiterentwicklung des Engagements gegeben. Im EEG 2023 ist zudem der Ausbau der Windenergie adressiert. Dem Gesetz zufolge ist der Zubau an Land mit 10 GW pro Jahr und für die installierte Gesamt-Kapazität mit rund 115 GW (2030) zum Ziel gesetzt. Windenergieanlagen werden im Vergleich zu Photovoltaikanlagen grundsätzlich mit deutlich höheren Einzelleistungen z.B. bis 5 MW installiert und erreichen bei einem Standort in Bayern mehr als das Doppelte an Vollbetriebsstunden gegenüber einer PV-Anlage in der gleichen Region. Die Vergütung einer Windkraftanlage in Bayern wäre zudem mit einem standortbezogenen Rechenmodell für ‚windschwache Standorte‘ verbessert und die Degression des Höchstwertes der Förderung ist für zwei Jahre ausgesetzt. Damit kann eine Windkraftanlage bei einem genehmigten und passenden Standort in der Bürgerbeteiligung deutlich von Vorteil sein. 

Mit Blick auf die anderen Komponenten des EEG 2023 sollen der Abbau der Bürokratie für die Genehmigungen und die Vereinheitlichung der Umlagen gemäß Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) und die Offshore-Netzumlage erwähnt werden.

Das Stromsegment benötigt Stromspeicher

Der Bedarf an elektrischer Energie in Deutschland benötigt die Betrachtung der massiven Dynamik der Verbraucher im Leitungsnetz durch die abgerufene elektrische Leistung. Grob gesagt, muss für die Grundlast permanent eine Leistung von ca. 40 GW bereitgestellt werden. Im Tagesverlauf wird mit der steigenden Last ein Spitzenwert von 80 bis 90 GW abgerufen (Tagesgang). Dem gegenüber ist die Stromerzeugung durch Erneuerbare Energien, abhängig von Tag-/Nachtzyklus, von der Jahreszeit, vom Wetter oder vom Standort, starken Schwankungen unterworfen. Eher geeignet zur Bereitstellung der Grundlast sind Offshore Windkraft- oder Biogasanlagen bzw. Wasserkraftwerke. Der Ausbau dieser Erzeugungsanlagen ist z.T. begrenzt (foot security beim Biogas oder durch Kapazitätsgrenzen). 

Wenn heute die Grundlast mit fossil betriebenen Großkraftwerken (z.B. Kohlekraftwerke) bereitgestellt wird, muss mit den Erneuerbaren Energien bei Unterdeckung die Energie im großen Maße aus Speichern bereitgestellt werden. Andererseits kann bei den gesetzten Zielgrößen für 2030 (PV mit 215 GW und Windenergie mit 115 GW) die heute erreichte Netz-Gesamtleistung von 80 bis 90 GW leicht überschritten werden, sodass die Netzkapazität erschöpft wird. Die dann auftretende Spitzenleistung kann in den dafür zu schaffenden Stromspeichern gepuffert werden. Damit wird die Abregelung der Stromerzeugungsanlagen aus Erneuerbaren Energien und somit der Verlust der von der Sonne gelieferten Energie vermieden. Die gespeicherte Energie steht damit zu einem nachfolgenden Zeitpunkt bei Unterdeckung der Erzeugung zur Verfügung (Ausgleich Tag- Nachtzyklus bzw. saisonaler Ausgleich).

Noch (viel) mehr Speicher

Werden Stromspeicher verteilt, dezentral aufgebaut, können zudem Netzerweiterungen vermindert werden.

Wie erläutert, muss unter Nutzung Erneuerbarer Energien zur Sicherung der elektrischen Energieversorgung und Gewährleistung der Netzstabilität im großen Maße der Ausgleich zwischen Verbrauch und Erzeugung geregelt werden. Dazu bedarf es verschiedener Speicherbereiche: 

  • Netzstabilisierung (Primärreserve, erfordert sekundenschnelle Speicher)
    z.B. Elektrische Speicher / weitgehend noch im Anfangsstadium [5]
  • Verschiebespeicher (Sekundärreserve, Ausgleich des Tagesgangs)
    z.B. Pumpspeicherkraftwerke 
  • Langzeitspeicher (saisonaler Ausgleich)
    Elektrochemische Speicher (Wasserstoff, synthetisches Gas z.B. Methan)

Die gezeigten Speichertypen sind exemplarisch zu verstehen. So können z.B. Gaskraftwerke in allen drei Speicherbereichen zur Anwendung kommen, und es sind zudem ganz unterschiedliche Speicherkonzepte in Entwicklung. Gaskraftwerke werden heute noch mit (fossilem) Erdgas betrieben und müssen in Zukunft durch Wasserstoff bzw. synthetisches Gas betrieben werden. 

Somit müssen zeitgleich mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien gesetzliche Vorgaben und Förderungen für alle Speicherkonzepte eingearbeitet werden. Dieses ist im EEG 2023 lediglich als innovativ für wasserstoffbasierte Stromspeicher bzw. für PV-Gebäudeanlagen berücksichtigt. Für die privat betriebenen PV-Gebäudeanlagen ist bereits der Trend zu Speichern mit einem Anteil von 70% bei Neuanlagen in 2023 durch Einbindung eines Batteriespeichers festzustellen.

Offenbar wird meiner Ansicht nach, dass alle Akteure im Stromsegment das Thema Stromspeicher dringend adressieren müssen.

Quellen

[1] Weltwetterorganisation (WMO) 

[2] US-amerikanischen National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA)

[3] Europäische Kommission „Der europäische Green Deal“

[4] Peter Fürmetz; BERR „Solarpaket steckt Kurs ab für Verdreifachung des Zubautempos“, 9/2023

[4] Härter, Hendrik; Elektronik Praxis, „In Niedersachsen entsteht ein Speicher von 275 Megawattstunden“ 11.01.2024

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