Erwin Achleitner, ein Aufsichtsrat bei der BERR, hat sich zum Thema Strompreise sowie Häufigkeit und Vermeidung von negativen Strompreisen schlau gemacht und einen Artikel dazu geschrieben. Das Thema ist wichtig für alle, die eine PV-Anlage planen sowie für Besitzer von PV-Anlagen, welche das Ziel haben, die CO2-Emission in Deutschland zu reduzieren.
Erwin Achleitner hat Maschinenbau an der TU Wien studiert und war anschließend Assistent am Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Kraftfahrzeuge. 1986 wechselte er zu Siemens nach Regensburg und den nachfolgenden Firmen Continental und Vitesco Technologies, bevor er 2022 den Ruhestand antrat.
Zu viel PV-Strom?
Die Ausgaben für das EEG Konto (https://www.bmwk-energiewende.de/EWD/Redaktion/Newsletter/2016/19/Meldung/direkt-erklaert.html) werden im Jahr 2024 deutlich höher als die im Budget veranschlagten Kosten von 10 Millarden (Mrd.) €. Bereits im Sommer 2024 wurden die 10 Mrd. € überschritten und man rechnet, dass es zum Jahresende über 20 Mrd. € werden. Der Grund ist der starke Zubau von PV Anlagen in Deutschland bei gleichzeitiger Reduzierung des Stromverbrauchs. Der Einbruch bei den Verkaufszahlen für batterieelektrische Fahrzeuge Mitte und Ende 2024 (nach dem Ende der Förderung), sowie die rückläufige Industrieproduktion wirkt sich negativ auf die Stromnachfrage aus.
Kurzstudie zu den Auswirkungen der „Wachstumsinitiative“
In der Studie von Prof. Bauer (TH Darmstadt, siehe hier) sind die Auswirkungen auf die Stunden mit negativem Strompreis, die Verteilung des PV Zubaus sehr schön beschrieben. Auch Vorschläge für einen Eingriff in den Strommarkt wurden gemacht, welche allerdings weniger sinnvoll sind.
Im Jahr 2025 wird sich die Situation bei den negativen Strompreisen durch den PV Zubau in 2024 und der darauffolgenden Jahre nochmals deutlich verschärfen.
Die von Prof. Bauer diskutierten Massnahmen wie
- „Aussetzen der Einspeisevergütung für die Anlagen zwischen 7 und 25 kW“ bei negativen Börsenstrompreisen
- „Einspeisung bei negativem Strompreis entweder technisch unterbunden werden, indem die installierten Smart Meter (analog zu der Leistungsgruppe ab 25 kW) mit einer entsprechenden Schaltfunktion ausgestattet werden,“
- „oder die Betreiber müssen bei Einspeisung trotz negativem Strompreis inangemessener Weise mit den dadurch entstehenden Kosten belastet werden“
lassen befürchten, dass der Zubau von PV Anlagen ähnlich wie die Neuzulassung von E-Autos einen Einbruch erleidet und dadurch die CO2-Neutralität während der Sommermonate in weite Ferne rückt.
Rentabilität von PV Anlagen
Die Rentabilität von PV Anlagen würde sich in den nächsten Jahren deutlich verschlechtern, wenn mehr als 300 Stunden mit sehr hoher Sonneneinstrahlung von den insgesamt im Mittel 1547 Sonnenstunden pro Jahr wegen negativer Strompreise wegfallen oder die von Prof. Bauer vorgeschlagenen Massnahmen in Zukunft eingeführt würden. Dies würde einen Zusammenbruch der deutschen Solateurwirtschaft bedeuten. Auch mit negativen Folgen auf dem Arbeitsmarkt, wodurch zusätzliche Kosten durch Arbeitslosengeld und Kurzarbeit entstehen.
Diese Schlussfolgerungen von Prof. Bauer sind falsch und nicht zielführend. Wir haben in Deutschland nicht zu viel PV-Energie sondern viel zu wenige Stromspeicher, welche netzdienlich eingesetzt werden.
Speicher, Speicher, Speicher…
Bisher haben hauptsächlich Privatleute und Industriebetriebe in Batteriespeicher investiert. Nach den Auswertungen des Fraunhofer Instituts [1] sind nur 13,6 % der insgesamt 11,6 GWh in Deutschland Batterie-Großspeicher mit mehr als 1000 MWh. Die 79,8 % Hausspeicher zwischen 0 und 20 kWh werden meist nicht netzdienlich betrieben und haben den Zweck den Eigenverbrauch von PV-Strom zu erhöhen und damit Kosten für die PV-Betreiber zu reduzieren – sofern der Batteriespeicher nicht zu groß gewählt wurde. Die überwiegende Zahl von Hauspeichern werden morgens aufgeladen, da die Wetterprognosen nicht immer zuverlässig sind und die meisten Speicher nicht Prognose basiert geladen werden. In den Sommer Monaten sind die Speicher zur Mittagszeit meist zu 100 % geladen, da sie über Nacht auch nicht vollständig entladen wurden.
Rechnet man bei den von Prof. Bauer abgeschätzten Kosten von 500 Mio. € bei negativem Strompreis noch die Kosten für das EEG Konto bei niedrigem Börsenstrompreis dazu, so würden sich wahrscheinlich 1 Mrd. € für die Belastung des EEG Kontos ergeben.
Mit 1 Mrd. € könnten mehr als doppelt so viele Batteriegroßspeicher zugebaut werden, als heute vorhanden sind. Würde man netzdienliche Batteriespeicher bezuschussen, so könnte ein vielfaches an Batteriegroßspeichern durch Bürgerenergiegenossenschaften oder Stromversorger errichtet werden. Um in den Sommermonaten fossile Energie durch erneuerbare Energie ersetzen zu können sind Batteriegroßspeicher zwingend erforderlich, da in den Sommermonaten die Energiegewinnung aus Windkraftanlagen eingeschränkt ist und damit der Netzausbau für den Windstrom aus dem Norden in den Süden nur teilweise wirksam ist. Durch die Speicherung von PV Strom in Batterien werden negative Strompreise vermieden und das Preisniveau von PV Strom angehoben. Dadurch wird das EEG Konto weniger belastet.
Bundesnetzagentur ist gefordert
Es ist selbsterklärend, dass der vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) geplante PV-Zubau [2] von 18 GW PV in 2025 und 22 GW in 2026 und der weitere Zubau für die folgenden Jahren erforderlich ist, um von der fossilen Energie weg zu kommen – aber leider nicht realistisch und finanzierbar ist. Jedes zugebaute GW an PV Leistung erfordert heute auch den Zubau der entsprechen Batterieleistung. Da die Sonne mehrere Stunden am Tag scheint, sollte der Batteriespeicher die Kapazität von mindestens 3-4 * GW PV-Leistungszubau haben, um die Abregelung des PV-Stroms gering zu halten. Solch ein jährlicher Batteriespeicher Zubau ist logistisch in so kurzer Zeit nicht möglich. Der vom BMWK nicht koordinierte Zubau von PV-Anlagen und Batteriespeichersystemen kostet heute den Steuerzahler Mrd. € oder die PV-Anlagenbetreiber machen diese Verluste in Zukunft. Dabei hätte es die Bundesnetzagentur in der Hand, mit der Genehmigung und Ausschreibung von PV Freiflächenanlagen auf den Markt einzuwirken und das Gleichgewicht zwischen PV- und Batteriespeicher Zubau zu erhalten.
Ein Elektrolyseur benötigt 4000 – 5000 Vollaststunden pro Jahr um halbwegs wirtschaftlich zu arbeiten, damit er gegenüber Elektrolyseuren mit einem Standort in der Nähe des Äquators konkurrenzfähig ist. Solch hohe Vollaststunden sind nur möglich in Kombination mit PV- und Windenergie sowie mit Batteriespeicher.
Die Regierung plant zum Beginn des Jahres 2025 Änderungen bei der Einspeisevergütung. Sehr wahrscheinlich wird die Einspeisevergütung für neue Anlagen ab 2025 ab 7 kWp PV-Leistung an den Großhandelspreis für Strom gekoppelt. Damit wird das Risiko der negativen Strompreise auf den PV Anlagenbetreiber verlagert, wenn er den Strom an Tagen mit hoher Solareinstrahlung und geringem Stromverbrauch nicht selbst verbrauchen kann. Es ist zu befürchten, dass der Zubau von PV Anlagen ähnlich wie bei den E-Autos einen Einbruch erleidet. Sollte man ähnliche Überlegungen auch für die Windenergie planen, würde man auch eine weitere Verlangsamung des Windenergie Zubaus erhalten.
Empfehlungen für private PV-Betreiber:
- Anstelle einer Südausrichtung der PV Anlage sollten ab 2025 die Anlagen in einer Ost-Westausrichtung geplant werden. Diese Anlagen habe zwar einen etwa 20 % geringeren Jahresertrag als die Südausrichtung. In den Morgen- und Abendstunden ist der Ertrag allerdings höher, wodurch sich der Eigenverbrauch sowie die Einspeisevergütung steigern lässt. Auch die Kosten für den Wechselrichter und den Batteriespeicher sind dadurch geringer. Wegen der derzeit sehr niedrigen Kosten für die Solarmodule sind die Mehrkosten für die höhere Anzahl der Solarmodule nicht entscheidend. Der höhere Ertrag einer Südausrichtung zur Mittagszeit macht keinen Sinn, wenn man 0 € Einspeisevergütung bekommt, falls man den Strom zur Mittagszeit und an den Wochenenden nicht selbst verbrauchen kann.
- Der Stromverbrauch zur Mittagszeit sollte vor allem an den Wochenenden mit viel Sonneneinstrahlung maximiert werden. E-Auto und Hausspeicher laden, Geschirrspüler und Waschmaschine einschalten, … Das sollten auch PV-Anlagenbetreiber machen, welche vor 2025 die Anlage im Betrieb genommen haben und eine feste Einspeisevergütung bekommen.
- Freiflächen PV Anlagen sollten so geplant werden, dass auch am Wochenende zur Mittagszeit Verbraucher in der Nähe sind, bzw. Verbraucher direkt an die PV Anlage angeschlossen sind. Wenn über 300 h von im Mittel 1547 bis max 2000 Sonnenstunden / Jahr die Freiflächenanlage keine Erträge liefert, wird auch die Finanzierung durch Bankkredite schwierig.
- Anstelle zu großer Hausspeicher, welche unwirtschaftlich werden wenn etwa 200 Volllastzyklen pro Jahr nicht erreicht werden, sollte das Geld besser in eine Energiegenossenschaft investiert werden. Damit könnten auch die Energiegenossenschaften stärker den Zubau von Batteriespeichern mit einer Kapazität größer 1000 MWh forcieren. Für V2H, V2G oder H2G (V…vehicle, H…home, G…grid) sind noch viele bürokratische Hürden bis zur Realisierung zu nehmen sowie zusätzliche Investitionen in bidirektionale Wallboxen erforderlich. Die Anschaffung einer bidirektionalen Wallbox macht wenig Sinn, wenn die vorhandene Wallbox noch funktionstüchtig ist. Wer ein Elektroauto hat, welches nicht bidirektional laden kann hat, muss die Kosten für die Anschaffung eines neuen Fahrzeuges dazu rechnen.
- Wer eine PV-Anlage plant, sollte versuchen die Anlage noch in 2024 ans Netz zu bringen. Anlagen ab 2025 werden mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit weniger wirtschaftlich sein.
Literatur:
[1]Reuther, T.; Kost, C.: Photovoltaik- und Batteriespeicherzubau in Deutschland in Zahlen. Auswertung des Marktstammdatenregisters, Stand Februar 2024. Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE.
[2]Photovoltaik-Strategie: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. März 2023, https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Publikationen/Energie/photovoltaik-stategie-2023-entwurf.pdf?__blob=publicationFile&v=12